Aufgrund der unzähligen Umfragen der letzten Wochen hat der Ausgang der Europa-Wahlen in Frankreich wie in Deutschland kaum jemanden überrascht. Bemerkenswert ist in beiden Ländern dennoch das – wenn auch noch nur geringe so doch – wachsende Interesse für die Weiterentwicklung der Europäischen Union, was die Wahlbeteiligung widerspiegelt: am 26. Mai 2019 betrug letztere in Frankreich 8 Prozentpunkte mehr und in Deutschland 10 Prozentpunkte mehr als 2014!

Hausse de la participation
Beiderseits des Rheins war über die intensive und ausführliche Medienberichterstattung hinaus die Auseinandersetzung über die Zukunft Europas sehr enttäuschend! Nun zur Zeit der Hyperkommunikation klassisch gewordene, aufsehenerregende Schlagworte haben die Debatte beherrscht, während tiefgründigere Überlegungen kaum Gehör gefunden haben. Beispielhaft dafür ist in Frankreich die Gegenüberstellung des von Les Républicains befürworteten « Europa der Projekte » mit dem durch LREM verteidigten « Europa der Lösungen »: was wirklich dahinter steckt, blieb ziemlich unklar und ermutigte weder die Wechselwähler noch die « abstentionnistes », sich zum Wahllokal zu bewegen. Im Grunde genommen wurde die Debatte auf « Pro oder Contra » reduziert. Der eindeutige Unterschied liegt darin, dass die Deutschen für oder gegen Europa gewählt haben, während die Franzosen sich viel mehr für oder besser gesagt gegen « Macron » – und seine Europa-Vorstellung – ausgesprochen haben.
In Deutschland wie allerdings auch in Frankreich wird der selbstbewusste Aufstieg der Grünen mit Stärke demonstriert: die französische EELV erringt 13,47% (statt 8,95% vor fünf Jahren), während die deutschen Grünen nach dem auffälligen Einfluss auf die letzten Landtagswahlen sich weiterhin als Koalitionspartner in der Bundesregierung profilieren – indem sie volksparteienwürdige Ergebnisse verzeichnen (20,7%). Dies veranschaulicht eine Konstante, die sich durch den Wahlkampf hindurchgezogen hat: Klima- und Umweltpolitik ist neben sozialen und gesellschaftlichen Themen zu den Hauptanliegen der Wähler geworden. Haben die Grünen nun die sozialdemokratischen und weiter links stehenden Kräfte, wie die traditionelle Konservative als Rechsanwälte einer gerechteren europäischen Gesellschaftsordnung abgelöst? Dass die traditionellen Volksparteien in beiden Ländern erhebliche Stimmenverluste erleiden mussten (SPD : -11,5% ; Union : -6,1% ; LR : -12,3% ; PS : -6,8%), scheint jedenfalls auf die Glaub- und Vertrauenswürdigkeit der Grünen hinzudeuten. Diesen Wahlerfolg hat die Liste von Yannick Jadot der überraschenden Wahlbeteiligung der 18- bis 34-Jährigen zu verdanken, während die Partei von Ska Keller auf Kosten der Union bei den Jüngeren gepunktet hat.
La bataille pour la présidence de la Commission a débuté
Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahl-Kampf! Nun beginnt das Ringen der Nationalstaaten um die Spitzenposten in Straßburg und Brüssel. An erster Stelle zwischen Paris und Berlin, das den Konservativen Manfred Weber ungeachtet der französischen Widerstände weiterhin unterstüzt. Vielen Kommentaren kann man entnehmen, dass Berlin den französischen Staatspräsidenten hinsichtlich dieses Machtkampfes als geschwächt betrachte. Eine solche Bewertung ist sicherlich zu relativieren: Macrons Partei République en marche wie ihr Rivale Rassemblement national erhalten im EU-Parlament jeweils 23 Sitze. Festzustellen ist, dass weder die eine noch die andere Partei – verglichen mit den Präsidentschaftswahlergebnissen 2017 – prozentual durch die Wahl signifikant gestärkt oder geschwächt wurde. Das Abschneiden der vom jungen Jonathan Bardella angeführten RN-Liste ist de facto ernst zu nehmen, jedoch nicht zu überschätzen. Davon zeugt der Verzicht des Staatspräsidenten auf die vor den Wahlen vorgesehene Regierungsumbildung im Falle einer auffälligen Niederlage. Im Übrigen begeistert die Bundesregierung ja nur noch knapp 44% der deutschen Wählerschaft…
Par Julien Thorel, directeur du think tank cepFrance – Centre de politique européenne.